Vom Wert innerer Klarheit und dem Irrweg der Unentschlossenheit
Vom Wert innerer Klarheit und dem Irrweg der Unentschlossenheit
18.06.2025
Es gibt kaum etwas Anstrengenderes und zugleich Entmutigenderes als der Austausch mit Menschen, die nicht wissen, was sie wollen und dabei auch keinerlei Anstrengung unternehmen, diesen Zustand zu ändern. Es geht nicht darum, dass jeder Mensch seinen Lebensweg bis ins kleinste Detail geplant haben muss. Leben ist Veränderung. Doch wer dauerhaft in innerer Ungewissheit verharrt, sich weder hinterfragt noch weiterentwickeln möchte, bringt nicht nur sich selbst ins Stocken, sondern kann auch andere ungewollt von ihrem eigenen Weg abbringen, die vergebens ihre Lebenszeit investieren, die in dem Fall sinnvoller genutzt werden könnte.
Das Entscheidende ist der Wille. Der Wille, überhaupt etwas an dem Zustand der Unwissenheit zu verändern. Nur wenn dieser Wille und die Motivation vorhanden sind, kann Entwicklung beginnen. Dazu kann man durchaus jemanden zu Rate ziehen, etwa in Form eines Mentorings. Doch das funktioniert nur dann, wenn diese Unterstützung im beidseitigen Einvernehmen geschieht, ohne die persönlichen Grenzen oder Energien des Mentors zu überstrapazieren. Mentoring ist kein Rettungsseil, das ungefragt geworfen wird. Vielmehr ist es ein Angebot, das auf Gegenseitigkeit, Respekt und einem echten Wunsch nach Veränderung basiert.
Selbst das beste Mentoring bringt nichts, wenn der Mentee sich nicht bewegen will. Denn ein Mentor kann nur Impulse setzen, Orientierung bieten, Perspektiven eröffnen. Die eigentliche Arbeit, das Umsetzen, das Verändern, liegt immer beim Mentee. Entwicklung ist ein innerer Prozess. Ein intrinsischer Impuls, der nicht von außen aufgedrängt werden kann. Ohne diesen inneren Antrieb verpuffen gut gemeinte Ratschläge, verklingen Worte, versanden Wege.
Menschen, die nicht wissen, was sie wollen, greifen oft unbewusst nach den klaren Linien anderer. Sie wirken suchend, stellen Fragen, bitten um Orientierung. Doch wenn man genauer hinsieht, fehlt ihnen der eigentliche Wille, an sich selbst zu arbeiten. Statt den inneren Nebel durch Selbstreflexion oder durch gezielte Wissensaneignung zu lichten, bleiben sie passiv, beinahe bequem in ihrer Orientierungslosigkeit. Sie erwarten Klarheit von außen, ohne je zu versuchen, sie in sich selbst zu finden.
Dabei liegt es auf der Hand: Wer sich nicht mit sich selbst auseinandersetzt, wer sich nicht fragt, was ihn ausmacht, was ihn erfüllt, was ihn ruft , der bleibt ein Blatt im Wind, abhängig von jedem Gespräch, jeder Meinung, jeder fremden Entscheidung. Orientierungslosigkeit wird dann zum Dauerzustand, zur Entschuldigung, nichts in Bewegung bringen zu müssen.
Das Gegenteil ist inneres Wachstum. Und dieser beginnt nicht mit perfekten Antworten, sondern mit ehrlichen Fragen. Man kann und sollte Neues ausprobieren, Grenzen erkunden, Erfahrungen machen, um festzustellen, was zu einem passt und was nicht. Das erfordert Mut, auch Demut, aber es führt zu Klarheit. Und Klarheit zieht Klarheit an.
Nur so kann Austausch auf Augenhöhe gelingen. Wer bereit ist, sich selbst kennenzulernen, lässt andere teilhaben, nicht um gerettet zu werden, sondern um sich gegenseitig zu bereichern. Erfahrungen können sich dann ergänzen, Reife wächst im Dialog und nicht in einem einseitigen Ziehen an einer Hand, die sich selbst nicht halten will.
„Wer sich selbst nicht helfen will, dem kann niemand helfen.“
(Johann Heinrich Pestalozzi)
Darum ist es nicht hart, sondern notwendig, klare Grenzen zu ziehen gegenüber jenen, die keinen Beitrag zu ihrer eigenen Entwicklung leisten möchten. Man kann ihnen nichts abnehmen, was sie sich nicht selbst nehmen wollen. Wer bei sich selbst beginnt, ist kein fertiger Mensch aber ein verantwortlicher. Und mit solchen Menschen lohnt es sich, Wege zu teilen.
Comtessa Liliette